© Moritz Wizany
Zum Konzert
Wie reagiert Kunst auf Weltpolitik, auf gesellschaftliche und kulturelle Umbrüche? Solche Fragen beantworten will die CAMERATA mit drei in den 1920er- und 1930er-Jahren entstandenen Werken, die zwischen seligerer Vergangenheit und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft pendeln. Igor Strawinsky schrieb für einen runden Hochzeitstag des US-amerikanischen Diplomaten Robert Woods Bliss und seiner Frau Mildred ein Kammerkonzert, das 1938 in deren Landhaus Dumbarton Oaks in Washington uraufgeführt wurde (in dem übrigens wenige Jahre später, im Weltkriegsjahr 1944, zur Friedensstiftung die Charta der Vereinten Nationen entworfen wurde). Die Verarbeitung u. a. von Zitaten aus Bachs Drittem »Brandenburgischen« und Verdis »Falstaff« im »Dumbarton Oaks«-Konzert entsprangen Strawinskys neoklassizistischer Lust, Vergangenes spielerisch in die Gegenwart zu holen.
Ebenfalls 1938, inmitten jener bedrohlichen Weltlage, komponierte Francis Poulenc in Frankreich ein Konzert für das vorrangige Kircheninstrument Orgel. Die gregorianisch und gebetsartig anmutenden Sequenzen darin spiegeln die Religiosität des Komponisten, die aus Angst vor dem sich damals über Europa ausbreitenden Terrorregime des atheistischen Nationalsozialismus wiedererwachte. Da sich Poulenc aber als »Mönch und Straßenjunge« fühlte, mischte er auch lebensfreudige Passagen in den Ernst des Konzerts, das nun an der Propter Homines Orgel im Mozarteum Christian Schmitt spielen wird.
Danach tanzt das Streicher-Corps der CAMERATA mit dem Gott der Künste und Anführer der Musen, Apollo, durch den griechischen Götterhimmel. Strawinsky hat sich 1927, als er für das Washington Festival of Contemporary Music mit seiner Ballettmusik »Apollon et Musagète« Musenküsse verteilte, »dem vielstimmigen Wohllaut der Saiten hingegeben« – mit dem die CAMERATA die Sehnsucht nach einer seligen, schönen Welt stillen wird.